Die Milch macht´s – doch macht sie wirklich gesund?

Es gibt viele Milch-Sorten. Doch wie unterscheiden sich H-Milch und Frischmilch – und was ist eigentlich ESL-Milch?

Ernährungswissenschaftler Uwe Knop erklärt, warum keine Milchsorte per se gesünder ist als die andere und – das überrascht – warum der Kauf von Bio-Milch nicht unbedingt besser für das Tierwohl ist.

Was sind die Unterschiede von H-Milch und frischer Milch?

Frische Milch direkt vom Bauernhof hält sich nur wenige Tage im Kühlschrank. Die klassische „Supermarkt-Frischmilch“ hingegen ist pasteurisiert oder kurzzeiterhitzt (74°C) – und daher gekühlt ungeöffnet bis zu 10 Tage gut lagerbar. H-Milch steht landläufig für haltbar, was sie auch ist. Denn offiziell bedeutet „H“, dass die Milch zur Konservierung „ultrahocherhitzt“ (135°C) und damit sterilisiert wurde. Aufgrund dieses Verarbeitungsprozess hält sie ungeöffnet ultralange: drei bis sechs Monate – und das sogar in ungekühltem Zustand. H-Milch hat also das längste Mindesthaltbarkeitsdatum. Ein weiterer Unterschied ist die eher rahmig-sämige Konsistenz von Frischmilch im Vergleich zur H-Milch – denn diese wurde auch homogenisiert (bessere Fettverteilung) und schmeckt daher etwas wässriger und weniger sahnig.

Was ist ESL-Milch und wie unterscheidet sie sich von frischer Milch und H-Milch?

ESL bedeutet „Extended Shelf Life“ und meint in etwa „längere Haltbarkeit“ (im Kühlregal). Man kann sie daher auch als „länger frische Kuhmilch“ bezeichnen. ESL-Milch gibt es erst seit diesem Jahrtausend (2003). Sie wurde auf Basis technologischer Weiterentwicklungen als eine Alternative zwischen Frischmilch und H-Milch eingeführt – und inzwischen ersetzt sie immer mehr die „klassische“ H-Milch. Die ESL-Mindesthaltbarkeitsdauer wird durch besondere technologische Verarbeitungsverfahren auf etwa drei Wochen erweitert. Damit liegt sie zwischen Frischmilch (< 10 Tage) und H-Milch (> 6 Monate).

Welche Milch ist die gesündeste?

Ganz einfach: Keine. Es existieren keine Beweise, dass irgendeine Milch gesünder als ist als die andere. Es gibt noch nicht einmal Kausalevidenz (wissenschaftliche Beweise) dafür, dass Milch per se gesund ist. Das liegt daran, weil die Ernährungswissenschaftler nicht wissen, ob man Lebensmittel überhaupt in „gesunde oder ungesunde“ einteilen kann. Daher lehnen auch die sieben großen Fachinstitutionen der Ökotrophologie (Ernährungswissenschaften) in Deutschland, Österreich und der Schweiz diese Einteilung unisono ab (siehe Infokasten hier am Ende „7 auf einen Streich“). Ergo lautet die Empfehlung: Wer Milch gerne genießt. weil sie ihm lecker schmeckt, wunderbar. Wer keine Milch mag, der verpasst nichts und muss sich keine „Gesundheitssorgen“ machen. Kein Mensch braucht Milch.

Ist Bio-Milch dann „wenigstens“ die bessere Wahl in Sachen Tierwohl?

Die Antwort ist leider ein etwas verstörend anmutendes „jein“. Denn – und das wird viele überraschen – die zunehmende Produktion von Bio-Milch führt dazu, dass immer mehr Bio-Kälber geboren werden. Aber: Für den (im wahren Sinn) bio-logischen Grund der vielen Bio-Milch, die Bio-Kälber, für diesen Bio-Kuhnachwuchs existiert so gut wie kein Markt Die Folge: „Die Tiere werden größtenteils an konventionell arbeitende Betriebe verkauft. Für die Tiere bedeutet dies nicht nur lange Transporte, sie verlassen in der Regel auch die regionale Bio-Wertschöpfungskette, da sie meist an konventionell arbeitende Mastbetriebe verkauft werden. „Diese Kälber erfahren weder unter ethischen noch ökonomischen Aspekten eine Wertschätzung“, bedauert die Uni Hohenheim.

Und das ist wahrlich paradox bis schwer (ent)täuschend: Die Menschen kaufen einerseits mit „gutem Gewissen“ Bio-Milch – und dann andererseits sowas: Gerade die Jungtiere landen in der Massentierhaltung. Wenn die tierwohl-sensiblen Bio-Produkte-Käufer das wüssten, würden Sie wohl auch bei Bio-Milch deutlich differenzierter einkaufen. „Eventuell verdrängen sie diese Tatsache aber auch, um Schuldgefühle beim Kauf von Milchprodukten zu vermeiden“, vermuten die Wissenschaftler der Uni Hohenheim. Ja, das kann sein.

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Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (u.a. Erfolgreich abnehmen und schlank bleiben, Springer 2022). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.