Es ist gewiss keine Bildungslücke, wenn man von diesem Gemüse noch nichts gehört hat, geschweige denn es zu Gesicht bekommen hat; es sei denn, man wohnt in Küstennähe. Die Rede ist von Queller. Die botanische Bezeichnung der in unseren Breiten auch als Salzkraut, Friesenkaut oder auch als „Meeresspargel“ bezeichneten Pflanze lautet „Salicornia europaea“ und gehört zur Familie der Fuchsschwanzgewächse. Salicornia heißt „salziges Horn“, abgeleitet von lateinisch salis, Salz und cornus, Horn. Und in der Tat: Zum einen schmeckt der Queller tatsächlich recht salzig, zum anderen erinnern seine Sprossenspitzen ein wenig an ein Rinderhorn. Insgesamt sieht die 20 bis 30 Zentimeter große Pflanze wie ein „Miniatur-Säulenkaktus“ aus.
Queller kommt nicht nur gut mit salzigen Bedingungen zurecht, die Pflanze ist ohne Salz überhaupt nicht lebensfähig. Kein Wunder also, dass sie Pionierpflanze in der Verlandungszone zwischen Meer und Land ist und gerne im Watt lebt, wo sie regelmäßig von Meerwasser überflutet wird. Auch in salzreichen, feuchten Habitaten, wie es sie gelegentlich auch im Binnenland gibt, ist sie anzutreffen.
Wegen seiner engen Verbindung mit dem Lebensraum Meer und der optimalen Kühlbedingungen ist dieses Wildgemüse im Großmarkt in der Fischabteilung platziert und nicht bei Obst und Gemüse. In den Niederlanden ist Queller im Supermarkt erhältlich, hierzulande muss man als Verbraucher schon Glück haben, ihn dort zu finden. Bei uns wird man eher beim lokalen Fischhändler fündig. Zumindest sollte er Queller auf Nachfrage besorgen können.
Das Angebot konzentriert sich traditionell auf die Zeit von April bis September. Geerntet wird von Hand und zwar nur die Spitzen. Obwohl das Wildgemüse auch in Deutschland wächst, darf es im Bereich der deutschen Wattenmeer-Nationalparke nicht geerntet werden; schon gar nicht gewerblich oder kommerziell. An manchen Orten wächst Queller aber auch außerhalb der Nationalparks. Dort könnte man ihn dann für private Zwecke sammeln – sofern es sich nicht um Naturschutzgebiete oder ähnliches handelt, in denen die jeweiligen Schutzgebietsverordnungen die Entnahme von Pflanzen verbieten.
In den Niederlanden heißt Queller „Zeekraal“ und wird für den kommerziellen Bedarf in Gewächshäusern kultiviert; auch in Frankreich und anderen Ländern wird er kommerziell angebaut. Insgesamt erstreckt sich das Verbreitungsgebiet der Salicornia-Familie auf der Nordhalbkugel von Nordamerika über Europa bis nach Vorderasien. Die bei uns angebotene Ware stammt aus Importen, etwa aus den Niederlanden, Frankreich und Israel. Von der Einfuhrkontrolle wird Queller erst seit November 2019 getrennt erfasst; vorher wurde er unter „anderes Gemüse“ angemeldet. Dabei ist nicht alles Salicornia europaea, eine Reihe weiterer Salicornia-Arten ist ebenfalls essbar.
Traditionell wird die hochpreisige Delikatesse von der Gastronomie nachgefragt und oft als gedünstete Beilage zu Seefisch angerichtet. Gewiss ist sie in der warmen Küche die perfekte Begleitung für Fischgerichte und Meeresfrüchte. Die Verwendungsmöglichkeiten sind allerdings weitaus vielfältiger, etwa als Beilage zu Omelett, als Pesto, Chutney, für die Suppe oder auch als Deko auf belegten Brötchen, roh bereichert Queller mit seinem knackig saftigen und frischen Biss insbesondere Blattsalate. Das Meeresgemüse enthält genug Salz, weshalb man beim Würzen damit geizen kann; zudem hat es auch einen leicht pfeffrigen Unterton. Gute Ware hat eine dunkelgrüne Farbe, ist fest, riecht frisch und würzig, ist saftig und knusprig und schmeckt gut salzig. Im Kühlschrank hält sie sich ein paar Tage. Am besten schlägt man das Gemüse in ein feuchtes Küchentuch ein, so wie klassischerweise auch beim Spargel. Allerdings: je frischer es zubereitet wird, umso besser. Für die Zubereitung genügt ein kurzes Abspülen, vertrocknete oder unschöne Stängel sortiert man aus.
Leider weisen die gängigen Nährwerttabellen keine Angaben zu diesem zugegebenermaßen etwas exotischen Wildgemüse auf. Das Gartenbauzentrum Geisenheim führt Anbauversuche mit Salicornia durch und konnte mit Hilfe gezielter Düngungsmaßnahmen den Jodgehalt von Gewächshausware auf einen ernährungsphysiologisch vorteilhaften Bereich von 200 Mikrogramm pro 100 Gramm Frischmasse einstellen.
Quelle: Rüdiger Lobitz, BZfE