Levante – der kulinarische Sonnenaufgang

Levante

Trend mit tausendjähriger Geschichte.

„Die Küche der Levante ist Inspirationsquelle und wird immer mehr an Bedeutung gewinnen“, prophezeite die Expertin für Food-Trends, Hanni Rützler, bereits vor drei Jahren in ihrem damaligen Food Report. Und auch aktuell geht sie davon aus, dass die „Post-Corona“-Ernährung gemüsereicher sein wird. Was aber ist genau die Küche der Levante?

Zunächst: Levante steht im Italienischen für Sonnenaufgang und leitet sich vom lateinischen levare – erheben – ab. Gemeint ist das, was wir landläufig unter dem Nahen Osten, Orient oder – etwas veraltet – Morgenland verstehen und was Kulturhistoriker auch als den Fruchtbaren Halbmond bezeichnen. Diese Region umfasst die heutigen Länder Israel, Libanon, Jordanien, Syrien, Nordägypten und Irak. Diese Region gilt als eine der Ursprungsregionen, wo vor rund zwölftausend Jahren das Sesshaftwerden begann (neolithische Revolution). Nicht ohne Grund, denn hier gab es fruchtbares, gut bewässertes Land, das sich mit wenig Aufwand kultivieren ließ.

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Die Küche der Levante ist also keine typische Länderküche, sondern ein buntes Mosaik aus den kulinarischen Gegebenheiten verschiedener Regionen. Zudem sind auch historische Einflüsse anderer Länder auf das heutige Levante-Gebiet eingeflossen, etwa Elemente der arabischen, türkischen, persischen, osteuropäischen und – durch den Kolonialismus – auch der französischen und britischen Küche.

Gemüse und Hülsenfrüchte spielen eindeutig die Hauptrolle. Besonders beliebt sind etwa Auberginen, die gefüllt, gebraten oder als Dip zubereitet werden; ferner auch Paprika, Tomaten, Zucchini, Gurke, Oliven. Von den proteinreichen Hülsenfrüchten ist die Kichererbse der bekannteste Vertreter und das daraus hergestellte Hummus und Falafel. In Küstengebieten gibt es viele Gerichte aus Fischen und anderen Meerestieren, die gekocht, gegrillt oder auch paniert und gebraten werden. Bei den Milchprodukten sind Joghurt und Schafskäse wichtig, bei Obst beispielsweise Granatäpfel und Zitronen. Getreide kommt hauptsächlich als Bulgur oder Couscous vor, als Beilage wird gerne Fladenbrot gereicht. Fleisch spielt nur eine Nebenrolle, wobei dann Huhn und Lamm im Vordergrund stehen.

Frische Kräuter und Gewürze sind vielfältig, zum Beispiel, Minze, Petersilie und Koriander; Kreuzkümmel, Zimt, Kurkuma, Kümmel, Muskat und Kardamom und Gewürzmischungen wie Baharat, zu der es (ähnlich wie bei Curry) keine feste Zutatenliste gibt. Eine Alternative zu Zitronensaft oder Essig ist Sumach, aus der roten Steinfrucht des immergrünen Färberbaums gewonnen. Zatar ist eine Gewürzmischung deren Hauptzutat die getrockneten Blätter des Syrischen Ysop sind, einer wilden Thymianart. Gegenüber „normalem“ Thymian hat Zatar eine intensive Oregano-Note.

Charakteristisch für die moderne Levante-Küche sind „Mezze“: kleine, vielfältige Gerichte, meistens in großer Auswahl gleichzeitig serviert, von denen sich jeder ganz zwanglos nehmen kann; was und wieviel er mag. Anders als bei spanischen Tapas oder italienischen Antipasti, gibt es bei Mezze keine hierarchische Einteilung in Vor- und Hauptspeise, warmes oder kaltes Gericht. Alles, was auf den Tisch kommt, ist gleich „wertvoll“. Das gemeinsame und genussvolle Essen hat einen hohen Stellenwert.

Die Priorisierung von Gemüse und Hülsenfrüchten, die Vielfalt an Zutaten und Aromen, die Achtsamkeit beim Essen – all das steht im Einklang mit dem, was Ernährungsfachleute für wünschenswert erachten. Insofern ist zu hoffen, dass die Küche der Levante tatsächlich als Inspirationsquelle an Bedeutung gewinnen wird.

Rüdiger Lobitz, BZfE