Kristallzucker vs. Crystal Meth – machen Lebensmittel wirklich „süchtig“?

Können Lebensmittel tatsächlich süchtig machen, ähnlich wie Drogen?

Diese Frage beantwortet Uwe Knop, evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler. Er erklärt den Unterschied zwischen dem Genuss von Lebensmitteln und der Wirkung von Drogen auf unser Gehirn und unsere Psyche. Lesen Sie weiter, um mehr über dieses faszinierende Thema zu erfahren.

Können Lebensmittel tatsächlich süchtig machen, ähnlich wie Drogen wie Kokain oder Heroin?

Absolut klar: Nein. Das ist ein Riesenunterschied, ob wir von Lebensmitteln, also von Mitteln zum Leben reden oder von psychotropen Substanzen, also Drogen, die direkt auf unser Hirn und primär auf die Psyche wirken. Lebensmittel und einzelne Nährstoffe wie Zucker, Salz oder Fett sind weder einzeln noch in gemischter Form Nährstoffe mit Suchtpotenzial. Speisen, die fett- und zuckerreich sind, schmecken besonders lecker sind, weil sie lebensnotwendige Energie liefern. Daher werden sie gerne bevorzugt genossen. Aber um eine Sucht wie bei echten psychotropen Drogen handelt es sich hier in keiner Weise. Jeder der behauptet, „Essen mache süchtig wie Drogen“, kann sich doch einfach mal freiwillig einem persönlichen Vergleichstest unterziehen (selbstverständlich nur auf eigene Verantwortung, das ist keine Aufforderung): Schokolade vs. Kokain. Heiße Fritten vs. Heroin, Kristallzucker vs. Crystal Meth – und dann bitte nochmal eine ehrliche Meinung abgeben, ob er bei seiner Behauptung bleibt, Denn echte belastbare Vergleichsstudien gibt es bis dato keine. Und es wird sie auch nie geben. Sie braucht auch keiner.

Welche Lebensmittel haben das höchste „Suchtpotenzial“ und warum?

Grundsätzlich und evolutionsbiologisch erzeugen diejenigen Lebensmittel das größte Verlangen, die einem am besten schmecken, wenn man richtig ausgewachsenen Hunger hat und die man sehr gut verträgt. Und genau die sollte man auch essen. Nur eine solche – im weitesten metaphorischen Sinne – „nativ-organische Lebensmittelsucht“ ermöglicht eine gesunde Ernährung für ein gesundes Leben. Denn: Nur was einem wirklich schmeckt und was der Verdauungstrakt richtig gut verarbeiten kann, was man also wunderbar verträgt, nur das ist für das Individuum gesundes Essen,

Gibt es wirksame Strategien zur Bekämpfung der Abhängigkeit von bestimmten Lebensmitteln?

Wenn man das Gefühl entwickelt, man isst zu viel bestimmter Lebensmittel, fühlt sich dabei immer unwohler bis schlecht und bekommt körperliche Probleme, dann sollte man den Grund dieses exzessiven Überessens ausfindig machen: Ist es hungerfreies Essen aus emotionalen Gründen, um die Seele zu füttern und zu trösten, z.B. um Trauer, Angst oder Langeweile zu „besänftigen“? Dieses emotionale Essen kann auf Dauer zu Übergewicht und Krankheiten beitragen. Wenn man sich unwohl fühlt, sollte man also handeln. Gelegentliches „emotional eating“ hingegen bedarf sicher keiner „Intervention“, das kommt immer mal vor.

Wie unterscheidet sich die „Sucht“ nach Lebensmitteln von der Sucht nach Drogen wie Kokain oder Heroin?

Eine echte Sucht nach Lebensmitteln gibt es nicht. Harte Drogen wie Kokain und Heroin hingegen können nicht nur psychisch, sondern auch körperlich abhängig machen – hier braucht es dann oft einen Entzug, um davon loszukommen. Aber auch diese echte Sucht ist stets individuell ausgeprägt und hängt von zahlreichen Faktoren ab.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (u.a. Erfolgreich abnehmen und schlank bleiben, Springer 2022). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop at den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.