Weniger Müll & mehr Wertschätzung: „Leben werden Lebensmittel“

Lebensmittelverschwendung ist ein globales Problem, das auch Deutschland betrifft.

Uwe, evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler, beleuchtet die ‚Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung‘ und gibt wertvolle Tipps, wie Verbraucher aktiv dazu beitragen können, Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Er erklärt auch die Rolle des Mindesthaltbarkeitsdatums und wo die meisten Lebensmittel weggeworfen werden. Lesen Sie weiter, um mehr über dieses wichtige Thema zu erfahren.

Was ist das Ziel der ‚Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung‘ und wie es zu bewerten?

Diese Maßnahme des BMEL hat das Ziel, Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette zu reduzieren – und zwar soll konkret bis 2030 die Menge an Lebensmittelabfällen in Deutschland halbiert und so Lebensmittelverluste verringert werden. Im Gegensatz zu manch anderen evidenzfreien und sinnlosen Maßnahmen „aus dem Hause Özdemir“, wie Werbeverboten für Lebensmittel, die es gar nicht gibt – nämlich „ungesunde“ – ist dieses Projekt vollumfänglich zu begrüßen; denn Lebensmittel sollten eine viel höhere Wertschätzung erfahren. Hoffentlich wird das Ziel erreicht!

Wo werden am meisten Lebensmittel weggeworfen und warum?

Jedes Jahr landen in Deutschland wahnwitzige elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Mülleimer. Der größte Teil dieser Lebensmittelabfälle verursachen die Menschen zu Hause: Fast 60 Prozent wird in privaten Haushalten weggeworfen! Die Gründe sind vielfältig: Lebensmittel werden entsorgt, weil sie vermeintlich schlecht, abgelaufen oder verdorben sind – oder weil die Leute einfach keine Lust mehr auf das Gekaufte haben und es so lange rum liegt, bis es vergammelt und weggeschmissen wird. Das ist einfach nur bedauerlich und muss sich ändern. Hier ist jeder selbst gefragt.

Welche Rolle spielt das MHD (Mindesthaltbarkeitsdatum) dabei?

Leider keine gute. Viele Menschen denken noch immer, wenn das MHD überschritten ist, müssen die Lebensmittel in den Müll. Doch das ist Quatsch. Das MHD besagt nur: Bis hierhin garantiert der Hersteller „Topfrische & beste Qualität“. Danach kann es zu Einbußen kommen. Aber in der Regel sind diese Lebensmittel, deren MHD dezent in der Vergangenheit liegt, noch immer konsumierbar. Hier hilft oftmals ein einfacher aber kritischer sensorischer Test (auf eigene Verantwortung): Anschauen, riechen und probieren, wenn Nase (!) und Augen das „GO“ geben. Das MHD muss eigentlich umbenannt werden in QGD „Qualitäts-Garantie-Datum“ – denn „Mindest-Haltbarkeit“ suggeriert, danach ist die Haltbarkeit dahin. Und das ist einfach Quatsch. Das MHD ist definitiv kein „Wegwerfdatum“.

Wie können Verbraucher aktiv dazu beitragen, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden und welche Maßnahmen können sie ergreifen?

Kaufen Sie am besten nur das, wo Sie wirklich sicher sind, dass Sie es auch essen. Kaufen Sie nicht so viel auf einmal, wenn Sie die Möglichkeit haben, häufiger einlaufen zu gehen. Verinnerlichen Sie, was das MHD wirklich aussagt (siehe Frage zuvor)..Und: Kaufen Sie keine Lebensmittel, nur weil Sie glauben, Sie müssten sie kaufen, weil sie „ja so gesund“ sind – und dann liegen sie daheim rum, keiner isst sie, weil sie niemandem schmecken und sie werden weggeworfen. Darüber hinaus gibt es noch eine besondere „spirituelle“ Empfehlung, für die jeder sensibilisiert werden sollte.

Wofür insbesondere sollten die Menschen noch sensibilisiert werden?

Haben Sie wieder mehr Achtsamkeit, Respekt und Wertschätzung für Lebensmittel, besonders für Fleisch, Milch, Käse – denn für diese Lebensmittel sterben Tiere. Das sollte jedem bewusst sein. Entwickeln Sie daher ein empathisches Bewusstsein für das besondere „Geschenk auf dem Teller“: Ein Leben wird zu Lebensmitteln gemacht. Dem gebührt höchster Respekt und ein wenig Demut – das schmeißt man nicht einfach achtlos weg, nur weil es einem „halbfrisch“ nicht mehr schmeckt – oder gar aus „niederen Beweggründen“, weil man gerade lieber etwas anderes isst, „denn ist ja alles so schön günstig, kaufe ich einfach neu.“ Nein. Diese überhebliche Denke sollte der Vergangenheit angehören. Ernährung ist die wichtigste Hauptsache der Welt, Essen ist der evolutionsbiologische Trieb zur Lebenserhaltung Nummer eins, noch weit vor Sex. Und dazu brauchen wir Lebensmittel, tagtäglich, sehr viele. Wir leben in Schlaraffia Germania – und das sollen wir alle wieder viel mehr wertschätzen und diesen Respekt auch den Lebensmitteln an sich entgegen bringen. Einfach mal wirken lassen und drüber sinnieren.

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Dieser Beitrag erschien zuerst auf FOCUS online-Experte

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Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (u.a. Erfolgreich abnehmen und schlank bleiben, Springer 2022). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.