„Keine besonderen Maßnahmen erforderlich.“
foodwatch hat die deutschen Lebensmittelbehörden für ihre Untätigkeit im Skandal um Nestlé-Mineralwasser kritisiert. Weder das Bundesamt für Verbraucherschutz noch die zuständige Kontrollbehörde in Frankfurt am Main hätten bisher geeignete Maßnahmen ergriffen, um Verbraucher:innen vor Betrug und Gesundheitsrisiken durch das illegal desinfizierte Wasser zu schützen. Nach wie vor gebe es keinen öffentlichen Rückruf, Verbraucher:innen in Deutschland tappten völlig im Dunkeln, so foodwatch.
In einem Schreiben an die Verbraucherorganisation wies das Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL) jede Verantwortung von sich: Für Lebensmittelkontrollen seien die Bundesländer zuständig, man empfehle daher, „sich an die örtlich zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde zu wenden.” In diesem Fall ist dies das Ordnungsamt in Frankfurt am Main, da dort Nestlé seinen Deutschlandsitz hat. Doch auch hier sieht man offenbar keinen Handlungsbedarf: Es seien „keine besonderen Maßnahmen erforderlich“, heißt es in einem Schreiben an foodwatch von Anfang Mai. Am 10. Mai dann schrieb das Amt kryptisch: „Es wurde versucht eine entsprechende Probennahme durchzuführen, was bislang erfolglos blieb.“ Ohnehin wären für einen Rückruf die französischen Behörden zuständig, so das Ordnungsamt. Nestlé als betroffenes Unternehmen wiederum erklärte lediglich, dass die Lebensmittelsicherheit und Qualität seines Wassers „stets gewährleistet waren“.
„Die Bundesbehörde verweist auf die Kommunalbehörde und die Kommunalbehörde verweist auf die Behörden in Frankreich. Einer zeigt mit dem Finger auf den anderen und nichts passiert. Es ist das übliche Muster eines Lebensmittel-Skandals. Die Behörden untätig, das Unternehmen verschwiegen, die Verbraucher:innen ahnungslos“, kritisierte foodwatch-Geschäftsführer Dr. Chris Methmann.
Die Verbraucherorganisation forderte Nestlé auf, die betroffenen Chargen zurückzurufen und das gefälschte Mineralwasser vom Markt zu nehmen. Zudem müsse der Konzern erklären, wie die Sicherheit der Produkte jetzt sichergestellt sei, wenn mittlerweile – wie behauptet – die illegale Filterung des Wassers beendet wurde. Unter www.foodwatch.org/nestle-wasserbetrug startete foodwatch eine Online-Protestaktion an Nestlé.
Medienrecherchen hatten in den vergangenen Wochen enthüllt, dass Mineralwasserquellen in Frankreich mit Fäkalien, Escherichia Coli-Bakterien, PFAS und Pestiziden verunreinigt waren. Unternehmen wie Nestlé hatten das Wasser auf verbotene Weise gefiltert und weiter als „natürliches Mineralwasser“ verkauft – ein klarer Fall von Lebensmittelbetrug. Zudem wies die französische Lebensmittelüberwachung bereits vor Monaten auch auf mögliche Gesundheitsrisiken hin, wie ebenfalls Medien ans Licht brachten. Einen öffentlichen Rückruf oder eine Warnung an die Behörden in anderen EU-Ländern gab es jedoch nicht. foodwatch hat in Frankreich Klage gegen Nestlé sowie den Mineralwasserhersteller Sources Alma eingereicht.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Schreiben des BVL an foodwatch
- Schreiben des Ordnungsamtes Frankfurt an foodwatch (1)
- Schreiben des Ordnungsamtes Frankfurt an foodwatch (2)
- Schreiben von Nestlé an foodwatch
- Rückmeldungen der Landesbehörden
- Skandal um illegal desinfiziertes Mineralwasser: foodwatch verklagt Nestlé (Pressemitteilung, 21.02.2024)
- „Die „Gesundheitsqualität“ von Nestlé-Mineralwasser ist nicht garantiert, laut einer vertraulichen Notiz von Anses“, Le Monde, 4.4.2024
- „Hépar, Perrier, Vittel, Contrex: Gesundheitsqualität des Wassers des Nestlé-Konzerns „nicht garantiert“ laut Gutachten, das der Regierung übergeben wurde“, France Info, 4.4.204
- Brief von foodwatch an die EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides, 19. Februar 2024 (Französich)
- Richtlinie 2009/54/EG über die Gewinnung von und den Handel mit natürlichen Mineralwässern
- „Nestlé gibt zu, verbotene Behandlungen an Mineralwasser vorgenommen zu haben, um die „Lebensmittelsicherheit“ zu erhalten“, Le Monde, 29.01.
Quelle: foodwatch