Scharf, gesund, kühlend und schmerzlindernd – das „Paket“ liefert nur eine Pflanze: Chili

Capsaicin, der Scharfstoff in Chilis, ist mehr als nur ein feuriges Geschmackserlebnis. Er triggert eine Vielzahl von Reaktionen in unserem Körper – vom Gefühl der Hitze bis hin zur Schmerzlinderung.

Doch was passiert genau in unserem Körper, wenn wir Chili essen? Chili-Aficionado Uwe Knop erklärt den „heißen Hype“.

Mit-KI-erstellt-∙-8.-Juni-2024-um-1258-PM.jpg

Was genau bewirkt der Scharfstoff namens Capsaicin, der in Chilis vorkommt, im Körper?

Capsaicin, der Scharfstoff in Chilis, „dockt“ an Rezeptoren in unserem Körper, besonders im Mund, also beim Essen an, die normalerweise auf Hitze reagieren. Dadurch wird ein Signal an das Gehirn gesendet, dass dem Körper vermittelt: „Achtung, Hitze, es brennt, gefährlich!“ – wir empfinden also einen „heißen Reiz“. Das löst eine Reihe von Reaktionen aus, einschließlich der Freisetzung von Endorphinen („Glückshormone“), die ein Gefühl der Linderung oder sogar Euphorie vermitteln können. Letzteres ist als „Chili-High“ bekannt – was natürlich nicht mit einem „echten Drogen-High“ vergleichbar ist.

Was ist eigentlich der Scharfgeschmack – oder schmecken wir eigentlich nichts, sondern der Effekt ist ein ganz anderer?

Der scharfe Geschmack von Capsaicin ist keine echte Geschmackswahrnehmung wie süß oder salzig, sondern – siehe Antwort zuvor – ein Gefühl von Wärme oder Hitze bis hin zu starkem Brennen. Es ist ein sensorisches Signal, das durch die Aktivierung der Hitze-Rezeptoren im Mund ausgelöst wird.

Und wieso lindert Chili, also Capsaicin auch Schmerzen, wenn es auf die Haut aufgetragen wird?

Capsaicin kann Schmerzen lindern, wenn es auf die Haut aufgetragen wird, weil es die Ausschüttung der sogenannten „Substanz P“ blockiert. Dieser „Neurotransmitter“ übertragt Schmerzsignale an das Gehirn. Wenn Capsaicin auf die Haut aufgetragen wird, bindet es an die Nervenenden und aktiviert zunächst die Schmerzrezeptoren. Dies führt zu einem Anstieg der Substanz P, was zu einem brennenden oder stechenden Schmerz führen kann. Allerdings bewirkt diese anfängliche Reaktion, dass die Nervenzellen eine große Menge an Substanz P entleeren – was wiederum zu einer vorübergehenden Erschöpfung der Schmerzrezeptoren führt. Dadurch wird die Übertragung von Schmerzsignalen reduziert, was zur gewünschten Schmerzlinderung führen kann. Man reizt den Schmerz also im wahren Sinne aus. Daher gibt es auch Capsaicin-Pflaster oder -Salben gegen Schmerzen – aber nur auf Rezept vom Arzt.

Welche Studien belegen die gesundheitlichen Effekte von Chili (Capsaicin)?

Zahlreiche Studien haben die gesundheitlichen Vorteile von Capsaicin aus Chili dokumentiert. Dazu gehören seine entzündungshemmenden, schmerzlindernden, stoffwechselsteigernden und krebsbekämpfenden Eigenschaften – auch positive Effekte auf das Herz-Kreislaufsystem wurden beobachtet. Eine umfangreiche Studie hat einen Zusammenhang von hohem Chiliverzehr mit niedrigem Risiko für Herztod gezeigt. Und in einer Großanalyse mehrerer Studien konnten Forscher sogar beobachten, dass regelmäßiger Chili-Konsum sowohl mit einer deutlich geringeren Herz-Kreislauf- und krebsbedingten Sterblichkeit als auch mit einer reduzierten Gesamtsterblichkeit verbunden war. Das heißt jetzt aber nicht: „Chili schützt vor frühem Tod“ oder „Chili verlängert das Leben“. Denn es liegen nur Korrelationen vor, aber keine Kausalevidenz. Alle genannten Effekte wurden sowohl in Tierversuchen als auch in einigen klinischen Studien am Menschen beobachtet. Ob Chili nun dafür verantwortlich ist oder nicht, klar ist: Es schadet sicher nicht, wenn man die Schärfe gut verträgt.

Wo fördert Chili die Schleimbildung im Körper und warum ist das positiv?

Capsaicin fördert die Schleimbildung hauptsächlich in den Atemwegen. Dies kann helfen, Schleim zu lösen und die Symptome von Atemwegserkrankungen wie Husten und Erkältungen zu lindern. Die erhöhte Schleimbildung dient als natürlicher Schutzmechanismus, um die Atemwege vor Reizstoffen zu schützen. Chili ist also ein „Expektorans“ – so bezeichnet man Substanzen, die den Auswurf von Schleim aus den Atemwegen fördern. Übrigens ist es ein Mythos, dass Chili „den Magen zerstört“. Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass Capsaicin in moderaten Mengen den Magen-Darm-Trakt schützen kann, indem es auch hier die Schleimproduktion erhöht und die Durchblutung verbessert.

Ein anderer Mythos lautet: Chili erhitzt den Körper. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Warum und wie kühlt Chili?

Der Mythos, dass Chili den Körper erhitzt, beruht auf der Empfindung von Wärme und Hitze, die Capsaicin auslöst. In Wirklichkeit führt der Konsum von Capsaicin jedoch zu einer Erweiterung der Blutgefäße und erhöht die Durchblutung, was dazu beiträgt, die Körpertemperatur zu regulieren und Hitze abzuleiten. Dies kann zu einem kühlenden Effekt führen, besonders in heißen Gegenden oder nach körperlicher Anstrengung. Oder einfacher: Chiliverzehr führt dazu, dass wir schwitzen – und Schweiß dient unserem Körper bekanntermaßen als „kühlende Klimaanlage“. Daher sollte man gerade bei Hitze scharf essen – aber unabhängig vom Wetter gilt ganz grundsätzlich: Essen Sie nur scharf, wenn es Ihnen gut „schmeckt“, Sie sich dabei wohl fühlen und vor allem nur dann, wenn Sie die Schärfe auch wirklich gut vertragen und verdauen!

____

Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte

____

Uwe Knop (*72) ist evidenzfokussierter Ernährungswissenschaftler (Dipl.oec.troph./JLU Gießen), Publizist, Referent und Buchautor (u.a. Erfolgreich abnehmen und schlank bleiben, Springer 2022). Seit mehr als 14 Jahren bildet die objektiv-faktenbasierte Analyse tausender aktueller Ernährungsstudien den Kern seiner unabhängigen Aufklärungsarbeit. Knop hat den mündigen Essbürger mit eigener Meinung zum Ziel, der umfassend informiert selbst und bewusst entscheidet, worauf er bei der wichtigsten Hauptsache der Welt – genussvolles Essen zur Lebenserhaltung – vertraut.