Noch ein Virus

Unkrautbekämpfung und Pflanzenschutz sind zwei Reizworte, die reflexartig Abwehrmechanismen in Gang setzen.

Es geht dann nicht um die Sicherheit des Wirkstoffs, sondern um die gesellschaftliche Akzeptanz der Verwendung von Agrarchemikalien. Grüne Gentechnik wird je nach Weltbild nicht akzeptiert. Essensretter fordern, dass die Milch einer Kuh, die als Futter gentechnisch optimiertes Soja konsumiert hat, mit einem warnenden Hinweis ausgestattet werden müsste. Warum? Die Gene der Kuh verändern sich nicht und die Milch schleust keine gefürchteten Killergene in unsere Körper. Konsequent wäre doch vielmehr die Forderung, grundsätzlich zu verbieten, dass Kühe mit dem Futter Gene zu sich nehmen.

Pflanzenschutz und Unkrautbekämpfung sind zu einem politischen Thema mutiert, bei dem es in der Diskussion nicht primär um wissenschaftlich valide Fakten geht, sondern um eine am jeweiligen Weltbild orientierte Bewertung. Es geht dann sehr schnell um die Macht von internationalen Konzernen, um die angebliche Abhängigkeit der Bauern von Saatgutfirmen und um die strategische Durchsetzung von mehr oder weniger effizienten Bio-Alternativen.

Die Initiative Bauernwohl

Die Existenz des Landwirts und die wirtschaftlichen Interessen einer Branche, die den Verbraucher mit Lebensmitteln versorgt, stehen dabei am Ende der Argumentationskette. Die Zeit scheint reif, parallel zu einer Initiative Tierwohl auch eine Initiative Bauernwohl zu begründen.

Aktuell fürchten sich rund 25.000 Rübenanbauer in Deutschland vor dem Jahr 2021. Konkret fürchten sie sich vor Blattläusen, die Vergilbungsviren übertragen. Diese Bauern haben in Deutschland keine Möglichkeit, ihre Zuckerrüben vor Schädlingen und Viren zu schützen. Die als Neonikotinoide bezeichneten Mittel dürfen nicht eingesetzt werden. Sie gelten als bienengefährdende Substanz. Deshalb gibt es ein existenzgefährdendes Verbot für die 25.000 Anbaubetriebe und weitere rund 80.000 Arbeitsplätze, die mit der Zuckerwirtschaft verbunden sind.

Fakten statt Ideologie

Fakten sind aufschlussreich. Während durch den mangelnden Schutz der Rüben die Erträge pro Hektar während der letzten zwei Jahre halbiert worden sind, steigt die Zahl der Bienenvölker seit zehn Jahren kontinuierlich an. Das ist kein zynisches, sondern ein logisches Argument. Das nicht versprühte, sondern ausschließlich beim Saatgut eingesetzten und damit umweltschonende Schutzmittel ficht die fleißigen Bienen auch nicht an. Zuckerrüben bilden keine Blüten. Warum sollten sich Bienen auf den Rübenacker verirren?

Rückstände des Wirkstoffs könnten im Honig der Biene sein. Das wäre ein ernstes Argument. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kommt nach wissenschaftlichen Analysen und Bewertungen, die detailliert transparent gemacht werden, zu der klaren Aussage, dass es kein Gesundheitsrisiko gibt. Aber es gibt noch ein weiteres Amt, das Risiken definiert. Während das BfR Wissenschaft praktiziert versucht das Umweltbundesamt (UBA) Politik zu machen. Hier müssen Fakten zum Programm passen. Auf der Website des UBA steht deshalb konsequent eine Informationsschrift vom Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. zum Download bereit. Hier gibt es nicht Fakten, sondern  bunte Bilder. So macht man Meinungen.

Die deutschen Bauern fühlen sich in der EU als Bauernopfer. Während die anderen Mitgliedstaaten Fakten, Realität und Notwendigkeit des Schutzes der Zuckerrüben erkannt und das Beizmittel für den konkreten Notfall zugelassen haben, stehen die deutschen Bauern den Vergilbungsviren hilflos gegenüber. Das Landwirtschaftsministerium sollte sich trotz Corona einmal mit diesen Viren beschäftigen, um bei den Erzeugern in der EU nicht den heute gepflegten Hygiene-Abstand zu vergrößern, sondern Chancengleichheit im Wettbewerb herzustellen.